Maike hat geschrieben:
JMs Charme zieht bei mir nicht. Vielleicht ist genau das der Beweis für RAs Schauspielkunst und der beabsichtigte Effekt? Viele Damen sagen, dass es ihnen trotz allem schwer fällt, JM übel zu nehmen, was er getan hat, auch wenn sie es vom Kopf her sollten. Das geht mir nicht so. Das Element, dass mich normalerweise dazu bringt, Mitgefühl mit RAs Charakteren zu haben, die versteckte Verletzlichkeit und Sensibilität, fehlt hier. Wie abgebrüht muss er sein, Ellie so ins offene Messer laufen zu lassen? Was für eine Art von Zuneigung soll das sein? Wenn er sie nicht mit reingezogen hätte, gut. Wenn er ihr eine Wahl gelassen hätte, wissentlich etwas Ungesetzliches zu tun (Nur dieses eine Mal, für unsere gemeinsame Zukunft!) - aber so? Wer zu so etwas in der Lage ist, kann nicht aufrichtig empfinden. Und JM wirkt au mich nicht wie jemand dr aufrichtig empfindet. Er weiß nur, in Situation das richtige zu tun und zu sagen und sich herauszureden. Sehr clever übrigens, wie er das macht.
Ich denke, es wurde bewusst mit der Wahrnehmung der Zuschauer gespielt.
Mal ehrlich - wenn man sich nicht nur oberflächlich mit RA beschäftigt hat, dann konnte man sich doch dieses schleichenden Gefühls nicht entziehen, dass mit JM irgendetwas nicht stimmte. Es ist, als würde Ellie an einer Stelle eben genau die Gedanken der Zuschauer aussprechen - "you always say the right things". Und genau damit bringt sie es auf den Punkt - JM's Charme ist zu glatt, zu routiniert, seine Begründungen für den "Tracy"-Anruf oder Marias Dealer-Anschuldigungen sind einfach zu clever. Genau wie seine mit treuen Hundeaugen und Samtstimme vorgetragenen Beschwörungen "I could never hurt you".
Er ist wie der Wolf im Schafspelz - dieses Gefühl wird man als Zuschauer nie ganz los, auch, wenn man andererseits mehr oder weniger nachvollziehen kann, wie eine Frau wie Ellie so einem Mann verfallen kann. Sie ist psychisch in einer Ausnahmesituation, befindet sich durch ihre finanziellen Probleme in einer Sackgasse, was ihre ursprüngliche Naivität wohl um ein weiteres verstärkt. Und sie sehnt sich nach jemandem, der ihr in dieser Krise beisteht. Et voilà - der Auftritt des Helden - der ihr einen Ausweg aus all ihren Problemen verheißt und ihr noch dazu das Gefühl vermittelt, ihr ganz persönliches Märchen zu erleben.
In so einem Moment verschließen sich wohl manche Menschen vor der Realität. Sie setzen in gewissem Sinne Scheuklappen auf, nur um nicht auf das zu hören, was andere ihnen raten - "wake up!", genau das, was Maria ihr klar und deutlich ins Gesicht sagt. Ich denke, im Grunde fühlte Ellie, dass Marias Worte ihre inneren Zweifel wieder aufflammen ließen, aber sie wollte es nicht wahrhaben - Verleugung der Realität. Umso heftiger ist ja auch ihre Reaktion - sie beschuldigt Maria hitzig, dass sie ihr das neue Glück nicht gönnen würde. Doch zuletzt gewinnen auch bei Ellie die Zweifel Oberhand, denn sonst hätte sie nie auf dem Weg zu Flughafen angehalten, um ihr Gepäck zu kontrollieren. Die Flucht vor der Realität kann eben nur einen begrenzten Zeiraum aufrechterhatlen werden.
Ich fand es einfach überzeugend, dass JM sich am Ende nicht als der geläuterte Sünder präsentiert hat, sondern authentisch geblieben ist. Und das bedeutete eben in dieser Rolle - er war und blieb der baddie, der zu "seinem Weg" steht, den er kompromisslos verfolgt hat. Ob ihn schließlich doch noch irgendwelche Gewissensbisse plagen, das bleibt dabei dem Interpretationswillen der Zuschauer überlassen. Aber auch Ellie ist ja nicht nur durchwegs die "Gute", sie muss sich gleichfalls einen Spiegel vorhalten. Und das zu verfolgen, war wirklich interessant. Genauso wie die ganze kontroverse Debatte, die das Spiel ausgelöst hat - eben das war ja auch die Intention der writerin. Diesen Punkt hat sie also erreicht.
BTW - RA dürfte sich im Stillen amüsieren - endlich mal eine Rolle, in der man ihn als "richtigen" baddie bezeichnen kann und wo sein (wenngleich aufgesetzter) Charme nicht so recht ziehen will. Das war doch immer ein Wunsch von ihm - mal nicht als reines Schmachtobjekt gesehen zu werden.