Hallo zusammen!
Ich bin ganz neu hier und habe gestern schon ein paar Stunden hier geschmökert
Was ich eigentlich gesucht hatte (und so auch auf das Forum gestoßen bin..), waren Infos zu Briefen bzw der Briefkultur zu JAs Zeit - immerhin haben sie ja doch als einziges (Fern-)Kommunikationsmittel in allen Romanen eine große Bedeutung.
Da ich nichts finden konnte, außer, versteckt in einem andren Thema, eine kurze Diskussion über Schreibpulte, habe ich mich mal selbst auf die Suche gemacht und mir überlegt, dass ich das hier nicht vorenthalten möchte. Vielleicht hat auch jemand noch einiges hinzuzufügen, es ist schon sehr mühsam, danach zu recherchieren.
Zuerst zum Schreibgerät: Stahlfedern, die in hölzerne (?) Federhalter gesteckt wurden, kamen anfang des 19. Jhds. in Mode. England war zwar als Mutterland des Stahls "Erfinder" dieser Federn, dennoch scheint JA selbst und auch die Figuren in ihren Büchern einen Federkiel benutzt zu haben. Ein Hinweis darauf findet sich z.B. in P&P Kap. 10, als Ms Bingley Darcy beim Schreiben beobachtet : "I am afraid you do not like your pen. Let me mend it for you, I mend pens remarkably well." Federkiele wurden vor ihrer Benutzung vom Mark befreit und, laut einer Quelle, die ich leider nicht wiederfinde, in heißen Sand getaucht. Ich nehme an, dass das die Federn "verglast" hat, also wesentlich stabiler machte. Dennoch wurden sie bei Bedarf weiter gekürzt, wenn die Schnittkante ausfranste.
Die Tinte scheint häufig die sog. "Eisengallustinte" gewesen zu sein. Diese Tinte zeichnet sich auch heute noch
durch beste Eigenschaften aus (hält quasi ewig, jedenfalls länger als das Papier - ist nicht entfernbar), soll aber wohl gesundheitlich nicht ganz unbedenklich sein. Fest steht, dass heute noch wichtige Staatsverträge damit unterzeichnet werden. In früheren Zeiten war die Herstellung nicht ganz leicht, vor Allem da die Tinte nicht sehr lange haltbar war. Man verwendete Gallusäpfel, deren Bestandteile recht schnell schimmelten. Erst im 19.Jhd fand man wohl eine Möglichkeit zur Konservierung.
Zur Schrift: Nach verschiedenen Quellen war die Englische Schreibschrift (auch Anglaise oder Copperplate) die gelehrte Schrift. Inwieweit die heute auf Kalligraphieseiten angebotenen Alphabete der Realität zu JAs Zeit entsprachen, ist aber fraglich, da die Schrift offensichtlich im Laufe des 19. Jahrhunderts eine starke Entwicklung hin zur Verschnörkelung gemacht hat. Zudem benötigt man zum Schreiben der Anglaise eine sehr sehr feine Feder, die sich bestenfalls auch noch durch eine hohe Elastizität auszeichnet, was eine Gänsefeder wohl kaum hätte erfüllen können. Da aber die Anglaise schon sehr lange vor der Entwicklung der Stahlfedern existierte, kann man vielleicht von einer puristischeren Version der Schrift ausgehen.
Zum Brief selbst: Die Faltung der Briefe nennt man Patentfaltung. Man findet sie heute noch in komplizierteren (!) Stadtplänen
. Eine Anleitung gibt´s hier :
www.digitale-schule-bayern.de/dsdaten/584/127.pdf
Bis 1849 mussten (!) die Briefe mit Siegelwachs versiegelt werden, da die heutigen Kuverts erst im Laufe des 19. Jhds entwickelt wurden. Dementsprechend war auch die Faltung von Nöten - das Briefpapier war gleichzeitig Umschlag.
Was mir noch etwas schleierhaft ist, ist das Papierformat, das benutzt wurde. Da wohl die patentgefalteten Briefe Vorbild für unsere heutigen 9x17 - Kuverts sind, muss es sich (nach einigen Selbstversuchen) in etwa um ein Format, das sich im A3 Bereich bewegt, gehandelt haben. Da die Briefbögen quer beschrieben wurden und patentgefaltet mehr oder weniger eher einem Heft entsprachen, als einem einzelnen Bogen, wäre das auch eine realistische Größe. Wenn Elisabeth sich in P&P über die Länge der Briefe wundert, handelt es sich mal um zwei dicht beschriebene Blätter (Darcy) oder vier (Ms Darcy nach der Verlobung), was auch ein Hinweis darauf ist, dass es sich nicht um A4 - Blätter handeln kann, die wir heute kennen.
Wikipedia gibt zudem den Hinweis auf einen "zusammengefalteten Foliobogen" im Artikel "Brief". Sucht man dann nach Papierformaten, so findet man dort auch einen Abschnitt für historische europäische Formate. Dort wäre ein "Folio" nicht viel größer als das A4 - Format; das Format "Brief" jedoch soll etwa 27x42cm gemessen haben, was schon realistischer klingt. Historische britisch-amerikanische Formate sprechen zudem bspw. von "Post": ca. 39x49 cm oder "Large Post": ca. 42x54cm. Diese Formate scheinen doch der Realität recht nah zu kommen.
Ein Hinweis darauf, dass es üblich war, sein Papier selbst zu schneiden (alles andere war unhöflich), macht dann auch klar, dass es kein einheitliches Format gab, aber diese Angaben dürften eine Vorstellung von dem Aufbau geben.
Zur Papierqualität konnte ich leider bisher nichts rausfinden, nur, dass ab 1813 (Erfindung der Schnellpresse) mit Briefköpfen bedrucktes Briefpapier in Mode kam.
Was Portokosten angeht, ist natürlich wieder die Frage der Verhältnismäßigkeit (starke Inflation, etc.) zu stellen. In S&S gibt Marianne ihren Brief an Willoughby an die "2 Penny Ortspost". Da dieses festgelegte Porto wohl auf London begrenzt war, waren grundsätzlich die Portokosten von Gewicht und Beförderungsdistanz abhängig und diese Kriterien regional auch sehr unterschiedlich gewichtet. Das Porto wurde bis 1840 vom Empfänger bezahlt. JAs Zeit liegt vor dieser Postreform (Einführung von einheitlichen Briefmarken und Bezahlung durch Absender). Verschiedene Quellen reden von Gebühren von bis zu 7 Penny pro Brief vor der Reform, was durchaus nicht wenig war und häufiges Briefeschreiben dementsprechend auch der besser gestellten Gesellschaft vorbehalten blieb. Zur Umrechnung dieser Kosten nur der Hinweis, dass ein Pfund = 20 Schilling und ein Schilling = 12 Penny war; ich glaube ansonsten ist hier genügend darüber diskutiert worden.
Grundsätzlich war wohl ab Mitte des 19. Jhds das Briefeschreiben eine gerade von Frauen sehr intensiv genutzte Möglichkeit, Zugang zu Wissenschaften und Bildung zu finden. Die zunehmende Alphabetisierung und die Senkung der Portokosten 1840 führten zu einem verstärkten Briefaufkommen.
Die Post war dabei vergleichsweise schnell - man veranschlagte (Daten aus Deutschland) wohl etwa eine Stunde pro Meile. Natürlich sind heute weitere Strecken schneller, aber dafür kürzere Strecken aufgrund der starken Systematisierung der Post heute mitunter auch langsamer.
So - ich hoffe hiermit auf Interesse zu stoßen! Ich finde diese Art des Briefeschreibens unheimlich reizvoll und habe mich jetzt dazu entschieden, mir einige antike Federn (kallipos.de) zuzulegen und mich mal an die Anglaise zu wagen; leider gibt es ja heute nicht mehr allzu viel Anlass zum Briefeschreiben, bzw. ich wüsste garnicht, wem ich noch so einen Brief schreiben könnte ohne ausgelacht zu werden.